Bild-Chef Kai Diekmann ist bei Twitter. Nein, er ist da nicht nur. Er ist mit Sack und Pack eingezogen. Seit er auf Kinderlandverschickung im Silicon Valley war, zauselt’s nicht nur um sein Kinn, es zwitschert auch sein iPhone, als gäbe es morgen kein LTE mehr. Wären Fußballanalogien nicht so ausgelutscht, man würde ihn den 140-Zeichen-Balotelli nennen. Eine Menge Genie balgt sich mit einer Horde Wahnsinn. Live-Tweets vom Tattoo-Stechen? Normal ist das nicht.
Kai Diekmann und ich haben zwei Dinge gemeinsam. Erstens, Wurzeln im Ostwestfälischen. Diese Parallele lässt mich, ohne dass ich irgendeinen Einfluss darauf hätte, über alles hinwegsehen, wofür Diekmann und seine Bild so stehen. Der Nebel im Teutoburger Wald ist nun mal dicker als die knochigen Zeigefinger der Medienjournalisten, die sich jedes Mal entrüstungsautomatisch erheben, wenn Bild wieder Blöd war. Dieses innere Heimatfest funktioniert übrigens nicht mit jedem Bielefelder, mit Ingo Oschmann zum Beispiel. Hans Zippert hingegen braucht selbstverständlich keinen Sparrenburg-Bonus.
Zweitens, und das war mir neu, wir sind beide Liebhaber der wohl größten Errungschaft des postindustriellen Kalendariums: des Brückentages. Es begab sich zu Weihnachten. Da zog es den Diekmann vom heimatlichen Potsdam ins Springer-Hochhaus. Und sein iPhone zwitscherte:
Über allen Krisen-Gipfeln war Ruh’, selbst in den Wipfeln des Dschungelcamps spürtest Du: “Die Redaktion ist ganz mit sich allein.”
Ausgerechnet im Chef der Bild-Zeitung einen Mitanhänger des beruflichen Einsiedelns gefunden zu haben, hat mich ehrlich überrascht. Sind es doch vor allem die Boulevard-Zeitungen, die in prokrastinierender Regelmäßigkeit dem Arbeitsvolk Tipps liefern, wie es unter Einsatz möglichst vieler Brücken- und möglichst weniger Urlaubstage ein veritables Sabbatjahr zusammenschlawinern kann: “Arbeitsministerin alarmiert! Zwei Tage Urlaub, drei Mal blaumachen: So müssen sie erst 2017 wieder ran!”
Auch ich war dereinst auf der irrlichternden Suche nach einem Urlaubskonto mit Rekordzinsen. Bis mir mein Freund und Kollege Timm die Augen öffnete: “Wer an Brückentagen Urlaub nimmt, hat nichts verstanden!” Lange Flure, leere Gänge. Kein Telefon, das klingelt. Kein Outlook, das pingt. Wo gibt es das heute noch – außer im Finanzamt, freitags nach eins? Eben.
Jeder tiefschürfende Text kommt irgendwann an die Stelle, an der es heißt: “Schon … sagte”. Weil das Leben so kafkaesk, die Arbeitswelt erst recht, soll Kafka die tiefschürfende Galionsfigur spielen: “Ich muss viel allein sein. Was ich geleistet habe, ist nur ein Erfolg des Alleinseins.” Hätte Kafka mit mir auf einem Flur gesessen, sein iPhone hätte gezwitschert: